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Vortrag Dr. Nadjma Yassari:

Existiert islamisches Recht?

Am 5. April 2004 um 18.00 Uhr wird in der Grundbuchhalle Frau Dr. Yassari, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, über islamisches Recht sprechen. Jenseits der Schlagworte aus Politik und Presse kann kenntnisreiche Information durch eine Wissenschaftlerin erwartet werden, die nicht zuletzt auf Grund ihrer Mitarbeit am Justizaufbau in Afghanistan auch über Erfahrungen aus der Praxis verfügt.

Frau Dr. Yassari hat den beabsichtigten Vortrag wie folgt skizziert:

„Zunächst werde ich einige Bemerkungen zum Islam als Religion und Glaubenslehre machen und einen Überblick über seine Entstehungsgeschichte und seine Ausbreitung geben. Danach möchte ich den rechtlichen Aspekt der Religion erörtern; was ist religiöses Recht, was sind seine Eigenarten und was sind seine Quellen? Es stellt sich hierbei die Frage nach der Entstehung des Rechts: Wie und durch wen ist das Recht entstanden, handelt es sich um Gottes- oder Menschen-Recht? Nach einem Blick auf die Kodifikationen und Rechtsreformen islamischer Länder sollen einige Beispiele aus den heutigen nationalen Rechtsordnungen islamischer Länder die Rolle der Religion in der Rechtswirklichkeit veranschaulichen. Dabei bleibt zu bedenken, dass dieser Überblick keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellt, denn die hier angesprochenen Fragen können nicht einheitlich beantwortet werden.

Die Ansätze und Lösungen, die gefunden worden sind, sind derart unterschiedlich, dass man der Aussage 'das islamische Recht existiert nicht' durchaus etwas abgewinnen kann.“

Einige Worte zur vita von Frau Dr. Yassari:

Dr. Nadjma Yassari LL.M. ist wissenschaftliche Referentin für das Recht islamischer Länder am Max Planck Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg.

Sie wurde 1971 in Teheran geboren, besuchte die französische Schule in Wien und studierte von 1989 -1995 Rechtswissenschaften am Juridicum in Wien, an der université René Descartes in Paris, und der juridischen Fakultät in Innsbruck. Von 1997-1998 studierte sie an der School of Oriental and African Studies an der Universität London islamisches Recht und Internationales Wirtschaftsrecht. 1999 folgte die Promotion an der Universität Innsbruck zum Thema: "The Concept of Freedom of Contract in Islamic and Western Legal Cultures".

Bevor sie ihre Arbeit am MPI in Hamburg aufnahm, war Yassari wissenschaftliche Assistentin an der Universität Innsbruck, Abteilung für Privatrechtsvergleichung und Internationales Privatrecht unter Prof. Fritz Reichert-Facilides. Dort nahm sie ihre Lehrtätigkeit mit einem rechtsvergleichenden Seminar zum islamischen Recht auf. In Hamburg setzte sie im SS 2002 ihre Lehrtätigkeit mit einer Vorlesung zum Privatrecht des Nahen Ostens fort.

Seit Februar 2000 ist sie wissenschaftliche Referentin am MPI mit Forschungsschwerpunkt internationales und nationales Privatrecht islamischer Länder. 2003 organisierte sie eine internationale Tagung zum Familien- und Erbrecht im Iran, an der Experten, Wissenschafter und Richter aus dem Iran und Deutschland teilnahmen.

Das Jahr 2004 liegt ganz im Zeichen des Justizaufbaus in Afghanistan. Mit Verstärkung aus Kabul durch den von der Rechtsanwaltskanzlei Schmitz Rechtsanwälte in Düsseldorf mit einem Stiftungsstipendium gesponserten Juraabsolventen Hamid Saboory und finanzieller Unterstützung durch das Deutsche Aus­wärtige Amt, fand am 23. und 24. Februar 2004 eine Tagung zur „Shari’a in Afghanistan“ am MPI in Hamburg statt, an der, neben einer Afghanischen Delegation von 22 Hochschulprofessoren, Richter und Mitglieder juristischer Ausschüsse auch der Justizminister von Afghanistan, Seine Exzellenz Abdul Rahim Karimi, teilnahm.

Ihre weiteren Tätigkeiten umfassen neben der regelmäßigen Berichterstattung über die Rechtslage und die Rechtsentwicklungen in den islamischen Ländern insbesondere auch das Anfertigen von Gutachten zum Familien- und Erbrecht islamischer Länder für deutsche Gerichte, die im Rahmen des deutschen internationalem Privatrechts ausländisches Familien- und Erbrecht anwenden müssen.

Frau Dr. Yassari spricht Deutsch, Persisch, Französisch, Englisch perfekt und hat auch Kenntnisse in der arabischen Sprache.

Zu ihren Publikationen zählen:

-   Die Rechtsquellen des islamischen Rechts; eine Einführung. In: ZfRV 3/1999.

-   The Print Media in Iran, An effective weapon for civil society? In: ORIENT, 42 (2001) 3.

-   Überblick über das iranische Scheidungsrecht. In: FamRZ 16/2002 (1088-1094).

-   Die Brautgabe nach iranischem Recht.
In: StAZ 7/2003 (198-201).

-   Islamisches Recht oder Recht der Muslime

-   Gedanken zu Recht und Religion im Islam. In: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften 1/2004 (in Druck).

Dr. Bernhard Jacobi