(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/94) < home RiV >
Presseerklärung des Hamburgischen Richtervereins
zu den Vorwürfen gegen Hamburger Staatsanwälte aus Anlaß der Presseerklärung des Justizsenators vom 14.11.1994 zum "Hamburger Polizeiskandal"

Jedes Ermittlungsverfahren muß sorgfältig und unter Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten betrieben werden. Das gilt nicht nur für Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte, sondern für alle strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Der Verwirklichung dieses Anspruches stehen in Hamburg unzureichende Personalausstattung und unzumutbare organisatorische Rahmenbedingungen entgegen. Der Hamburgische Richterverein hat seit Jahren hierauf warnend hingewiesen.

In einem Bericht der Staatsanwälte - veröffentlicht in den Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins Nr. 2/1993 vom 15. Juni 1993 - heißt es u.a.:

"Die Grenze der Belastbarkeit und Zumutbarkeit ist schon lange überschritten... Dies hat Auswirkungen auf die Qualität der Arbeit. Denn trotz ihres enormen Arbeitseinsatzes ist, jedenfalls in den allgemeinen Abteilungen, eine ordnungsgemäße Bearbeitung aller Verfahren durch die Kollegen nicht mehr möglich; der Gesetzesauftrag kann faktisch nicht vollen Umfangs erfüllt werden." In Anerkennung dieses Notstands hat die Hamburger Bürgerschaft die für die Einrichtung einer weiteren allgemeinen Abteilung erforderlichen Stellen bewilligt. Diese neue Abteilung ist aus Haushaltsgründen bis heute jedoch nicht eingerichtet worden.

In dem jetzt vom Senator vorgestellten "Bericht der Arbeitsgruppe zur Überprüfung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren" vom 7.11.1994 sind Anforderungen an die staatsanwaltschaftliche Arbeitsweise formuliert worden, die auch nach Auffassung der Mitglieder der Arbeitsgruppe mit der bisherigen personellen Ausstattung der Staatsanwaltschaft nicht zu erfüllen sind. Der Hamburgische Richterverein ist der Auffassung, daß Sparzwänge und ständig wechselnde politische Prioritäten nicht dazu führen dürfen, den Streit über Anforderungen an die staatsanwaltschaftliche Ermittlungstätigkeit auf dem Rücken derjenigen auszutragen, die bisher mehr als ihre Pflicht erfüllt haben. Insoweit ist der Justizsenator aufgefordert, die betroffenen Staatsanwälte gegen unberechtigte Vorwürfe in Schutz zu nehmen.

Der Hamburgische Richterverein fordert deshalb nochmals,

· die bei der Staatsanwaltschaft vakant gehaltenen Stellen unverzüglich zu besetzen;

· der Staatsanwaltschaft umgehend die Stellen zur Verfügung zu stellen, die zum Haushaltsplan 1994 von der Hamburger Bürgerschaft für die Einrichtung einer neuen allgemeinen Abteilung bereits bewilligt worden sind;

· unverzüglich Schritte zur Verbesserung der Organisationsstruktur bei der Staatsanwaltschaft einzuleiten.

Hamburg, den 17. November 1994

Dr. Makowka