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Im folgenden ein Bericht der Geschäftsführerin der Gemeinnützigen Wohnheimgesellschaft mbH, Christa O’Brien, über ein neues Modell der Gesellschaft, die Außenwohnungen:
 
Neues Modell der
Gemeinnützigen Wohnheimgesellschaft des HFV
- Außenwohnungen -

Wie schon früher berichtet, ist unserem sozialtherapeutischen Wohnheim mit 21 Plätzen seit 1990 die Ambulante Wohnbegleitung für Haftentlassene (AWB) als zusätzliches Angebot angegliedert.

Dabei handelt es sich um ein spezielles Beratungsangebot für ehemalige Bewohner des Wohnheimes zur weiteren Stabilisierung in der eigenen Wohnung und Integration in das neue Wohnumfeld.

Ohne die über Zuwendungen zusätzlich eingeworbene Sozialpädagogenstelle AWB wäre aber schon allein die Arbeit im Bereich Wohnungsfindung, -anmietung, -renovierung und -ausstattung nicht mehr zu bewältigen.

Unser ambulantes Hilfsangebot nach § 72 BSHG hat sich in den vergangenen 5 1/2 Jahren bewährt und als realitätsgerecht erwiesen - das belegen u.a. die hohen Auslastungsquoten.

In der Ablösungsphase aus dem Wohnheim wird der Übergang in die Nachsorge schrittweise eingeleitet. Die Wohnungssuche wird zunächst beratend vorbereitet und die entsprechenden Schritte werden dem Bewohner erklärt, bevor mit der praktischen Umsetzung begonnen wird. Die Hilfe durch die AWB betrifft den gesamten Komplex der Wohnungssuche, -findung und -übernahme. Die vielfältigen Formalien werden geregelt, und darüber hinaus werden auch praktische Hilfen bei den Renovierungsarbeiten, beim Einkauf und Transport der Möbel sowie des Hausrats geleistet.

Nach dem Auszug steht dann als vertraute Anlaufstelle, aber bewußt vom Wohnheimbetrieb getrennt, im Beratungsbüro in der Max-Brauer-Allee 138 der AWB-Sozialpädagoge für alle anstehenden Fragen zur Verfügung.

Diese Kontinuität in der Betreuung ist angesichts der problembelasteten Biographien der Haftentlassenen von außerordentlicher Bedeutung; denn erfahrungsgemäß werden andere Beratungsmöglichkeiten nur selten genutzt. Ein Hauptziel der AWB ist daher, Schwellenängste vor allem Neuen abzubauen und damit die Integration in das neue Wohnumfeld zu fördern.

Das ist nach einem Leben unter meist schwierigen Bedingungen, unsteten Wohnverhältnissen, Straffälligkeit und oft langen Haftzeiten ein langwieriger Entwicklungsprozeß, der einer individuell zugeschnittenen Unterstützung bedarf.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns mit der Realisierung eines neuen Modelles befaßt. Angesichts der ohnehin herrschenden Wohnungsnot kommt für den von uns betreuten Kreis der Haftentlassenen bei der Wohnungssuche noch die verbreitete Skepsis gegenüber "Problemmietern" als besondere Erschwernis hinzu.

Die Wohnungsbaugesellschaften befürchten, durch die Vergabe an diesen Personenkreis ihren Stamm an üblichen "ordentlichen" Mietern nachhaltig zu verärgern und schließlich zu verlieren. Diese Sorge kann im Einzelfall durchaus berechtigt sein. Denn in der Praxis kann tatsächlich ein einzelner Mieter durch ein nicht angebrachtes Sozialverhalten - im Extremfall durch alle mit einer akuten Suchterkrankung einhergehenden Begleiterscheinungen - die Atmosphäre und damit auch die Wohnqualität eines Mehrfamilienmiethauses nachhaltig negativ prägen.

Diese Tatsache darf unserer Meinung nach von der Sozialarbeit nicht bagatellisiert werden. Zumal wir zunehmend damit konfrontiert sind, daß Klienten, die aus sozialer Betreuung kommen, bei der Wohnungsvergabe von vornherein erst einmal auf Ablehnung stoßen.

Auch ziehen Probleme mit einem einzigen ehemaligen Bewohner bei den Vermietern leicht Ablehnung zukünftiger Vergabe an nachfolgende Bewohner nach sich. Dann sind erneut zeitaufwendige Verhandlungen nötig, um den Vermieter letztlich doch zu bewegen, wieder Wohnungen an Wohnheimbewohner zu vermieten. Berechtigte Hinweise auf die Sozialverpflichtung der Wohnungsbaugesellschaften sind zwar wichtig, in Anbetracht der Fakten aber doch nicht ausreichend.

Wir stellen uns deshalb diesem Problem mit einer weiteren Differenzierung unseres Hilfsangebotes im Rahmen der AWB mit unserem neuen Modell AUSSENWOHNUNGEN. Wir wollen für einen speziellen Bewohnerkreis neue Möglichkeiten der Wohnungsfindung eröffnen. Ein weiterer positiver Effekt liegt in der Verkürzung des stationären Aufenthaltes, was wir in Anbetracht der immer knapper werdenden öffentlichen Mittel verstärkt als unsere Aufgabe ansehen.

Bei den Vorgesprächen mit dem Landessozialamt SH 23 und der SAGA sind wir auf einhellige Zustimmung gestoßen. Für die Wohnungsbaugesellschaften ist unser Modell attraktiv, weil zunächst wir als Vertragspartner auftreten. Mit SH 23 ist vereinbart, daß die Bewohner für den Zeitraum des Betreuungs- und Nutzungsverhältnisses im Zuständigkeitsbereich von SH 23 verbleiben. Die Wohnheimgesellschaft tritt in Vorlage bei der Kautionszahlung an den Vermieter, beim Möbelkauf sowie bei der Renovierung und erhält per Abtretungserklärung bei Ausscheiden aus dem Vertrag die verauslagten Kosten von SH 23 erstattet.

Teilnehmerkreis: Unser Modell wendet sich an Wohnheimbewohner, bei denen sich im Laufe des stationären Aufenthaltes gezeigt hat, daß sie bemüht sind, die gesellschaftlichen Formen des Zusammenlebens zu erfüllen. Gleichzeitig ist aber auch deutlich geworden, daß der endgültige Schritt in die Selbständigkeit noch einer gezielt begleiteten Phase stützender Hilfestellung bedarf.

Wenn in dieser Einschätzung Übereinstimmung mit dem betreffenden Bewohner besteht, wird ein individuell ausgestalteter Betreuungsvertrag ausgearbeitet.

Betreuungsvertrag: Der auf 1 Jahr befristete Betreuungsvertrag ist Grundlage des Nutzungsvertrages für die möblierte Wohnung. Er regelt - individuell auf die Probleme des Betreffenden abgestimmt - die Rechte und Pflichten, die sich aus dem besonderen Betreuungsverhältnis für beide Vertragsparteien ergeben.

Es werden verbindliche Vereinbarungen getroffen über:

Außerdem sind im Betreuungsvertrag die Angebote und Leistungen der Wohnheimgesellschaft dargelegt.
Angebote:
 
Leistungen:
Formale Ausgestaltung: Um den Übergang vom Wohnheim in das selbständige Leben in einer eigenen Wohnung noch intensiver als mit dem üblichen AWB-Programm zu fördern, werden in Einzelfällen 1-Personen-Wohnungen durch die Wohnheimgesellschaft als Mieter, befristet auf 1 Jahr, angemietet werden. Dazu tritt die Wohnheimgesellschaft an Wohnungsbaugesellschaften heran.

Mit dem Bewohner wird dann der erwähnte individuell ausgestaltete Betreuungsvertrag abgeschlossen, der Grundlage für den Nutzungsvertrag der möb-lierten Wohnung ist. Bei erfolgreichem Verlauf wird der bisherige Nutzer nach einem Jahr von der Wohnungsbaugesellschaft als Mieter unbefristet übernommen.

Ist dies nicht möglich, weil es im Haus zu Problemen gekommen ist, die der Nutzer zu verantworten hat, oder bei Nichteinhaltung des Betreuungsvertrages, wird das Betreuungsverhältnis beendet, die Wohnung geräumt und mit einem anderen Wohnheimbewohner unter gleichen Bedingungen neu belegt.

Vorgespräche mit dem Landessozialamt machen die Wiederaufnahme des bisherigen Nutzers ins Wohnheim möglich, sofern erneut stationärer Hilfebedarf nach § 72 BSHG angezeigt ist. Ansonsten werden wir, unter Einbeziehung aller beteiligten Stellen, bei einer anderweitigen Unterbringung behilflich sein.

Ansprechpartner bei auftauchenden Problemen ist für die Wohnungsbaugesellschaft die Wohnheim GmbH in Person des AWB-Sozialpädagogen.

Ansonsten findet bei erfolgreichem Verlauf nach sechs Monaten ein gemeinsames Gespräch zwischen Bewohner, AWB und Wohnungsbaugesellschaft statt. Dieses Gespräch bietet allen Beteiligten die Möglichkeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen und die eigenständige Übernahme der Wohnung durch den bisherigen Nutzer vorzubereiten. Das nächste gemeinsame Gespräch zur konkreten Vorbereitung der unbefristeten Wohnungsübernahme findet zehn Monate nach Beginn des Betreuungsverhältnisses statt.

Nach Ablauf dieser besonderen Betreuungsphase kann dann das übliche AWB-Angebot zur Integration in das Wohnumfeld unter dem besonderen Aspekt der Vermeidung von erneuter Straffälligkeit und Obdachlosigkeit weiterhin genutzt werden.

Christa O'Brien