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Eine Presseerklärung und ihr Hintergrund

I.

Presseerklärung des Vorstands:

  1. Die Darstellung der Beratungen des Vorstandes des Hamburgischen Richtervereins über RiAG Schill am 21.08.1997 in der Ausgabe der Hamburger Morgenpost vom 25.08.1997 ist unzutreffend.

Völlig aus der Luft gegriffen und ohne jegliche Grundlage sind insbesondere die Vorwürfe:

Richtig ist vielmehr,

2.

Die Erklärung des RiAG Schill in der Ausgabe der Morgenpost vom 25.08.97, die Personalpolitik bei der Staatsanwaltschaft habe dazu geführt, daß die Staatsanwaltschaft in Hamburg zu einem zahnlosen Papiertiger geworden sei, die Misere sei auch ein politikgesteuerter Filz, wird als gegen die Staatsanwälte gerichteter beleidigender und völlig substanzloser Vorwurf nachdrücklich zurückgewiesen.

Hamburg, 25. August 1997

Meyer

stellvertretender Vorsitzender

II.

... und ein paar erklärende Worte:

Wer Abendblatt und Morgenpost liest, der braucht kaum noch Erläuterungen: Er wird sich über die publizistischen Wortmeldungen eines Hamburger Strafrichters (Abendblatt vom 21. und 22., Morgenpost vom 25. und 26.08.97 nebst Fluten von Zuschriften allenthalben) seine Meinung schon allein gebildet haben. Anders steht es mit den - schon auf Anhieb höchst abenteuerlichen - Geschichten über unsere Vorstandssitzung vom 21. August. Dazu sagt die vorstehende Presseerklärung das Nötigste. Aber ein paar Worte der Erläuterung können vielleicht nicht schaden:

"Richter ‘Gnadenlos’ klagt an: "Hamburgs Justiz hat ein Herz für Verbrecher"

- an diese knatternde Überschrift knüpfte die Hamburger Morgenpost am 25. August einen vierseitigen Artikel über die "täterfreundliche" Hamburger Strafjustiz. Ausgangspunkt ist ein forensisches Geschehen, über welches das Abendblatt ("Ein Richter sieht rot") am Donnerstag zuvor berichtet hatte:

Eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts hatte eine Sache beim Amtsgericht eröffnet; der zuständige RiAG Schill hatte sie in seiner Hauptverhandlung an das Landgericht zurückverwiesen - wie das Gesetz es vorsieht (§ 270 StPO). Nicht diese Sachbehandlung, die keinerlei Kritik erlaubt, war dazu angetan, Aufmerksamkeit zu erregen, sondern eine publizistische Begleitmusik, für die der Richter selbst gesorgt hatte: Der Fall sei wieder typisch: Beim Landgericht sei es bei nicht wenigen Kammern die Praxis, Sachverhalte zu milden Versionen zu entstellen und zu verbiegen, um die Fälle dann dem Amtsgericht zuzuschieben - mit anderen Worten aber gleicher Substanz: Rechtsbeugung zu treiben. Auf diese Anschuldigungen war Herr Raabe am 22. August in einem Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt - mit Recht sehr kritisch - eingegangen.

Nun also, in der Morgenpost vom 25.08., wartete RiAG Schill mit dem Gegen- und Rundumschlag auf:

Der Vorstand des Hamburgischen Richtervereins habe am Do., 21. August, unter Heiko Raabes Vorsitz ungeheure Intrigen gegen ihn vorbereitet: Nachdem andere Wege, ihn loszuwerden, für nicht gangbar erachtet worden seien, habe der Vorsitzende die Absicht geäußert, ihn - Schill - durch ein psychiatrisches Gutachten für unzurechnungsfähig erklären zu lassen. Andere hätten das unterstützt mit der Aufforderung an die Runde, zum besagten Zwecke auffällige Geschichten über den unliebsamen Amtsrichter zu sammeln und alles, zwecks Anreicherung des Gutachtens, zu einem "Psychogramm" zusammenzufügen. ...

Dieses Horrorszenarium erweist sich bei näherem Zusehen als eine Mischung gewisser Realien mit Phantasie und Verschwörungsanst - zu einem absurden Gebräu:

Der Vorstand hatte sich in der Tat mit der Kollegenschelte und dem Vorwurf der Rechtsbeugung befassen müssen, nachdem er am Vortage lautstark in die Welt gesetzt worden war. Es ging im Vorstand erklärtermaßen weder um die Sachentscheidung des Richters noch seine kriminalpolitischen oder rechtstheoretischen oder allgemein politischen Ansichten, sondern ausschließlich um die von ihm gewählte Inszenierung, die von allen als unerträglich bewertet wurde. Daß ein Kollege mit einem derartigen Drang zur Selbstdarstellung und Fremdbeschimpfung eine problematische Strafrechts-Dezernatsbesetzung sei, war eine jedenfalls verbreitete Meinung der Beteiligten; dabei bestand nirgends auch nur der geringste Zweifel daran, daß dem Vorstand jedwede rechtliche oder faktische Kompetenz für richterliche Dezernatsbesetzungen - im Amtsgericht oder irgendwo sonst - fehlt, weil diese ausschließlich bei den jeweiligen Präsidien liegt. So ist die Story vom Psychogutachten schlechtweg Unfug. Gleichwohl lassen sich in ihr noch Spurenelemente der Debatte wiederfinden:

Die Empörung schäumte hoch auf, und mancher - zumal jene in der Runde, die den Richter nicht kannten -, fragten, welcher Teufel den Mann geritten habe, in wildem Eifer und ohne Verstand, Augenmaß und spezieller Sachkenntnis auf andere(Kollegen und Gerichte) einzudreschen. Da kam dann in der Tat dies und jenes zur Sprache - keine Sammlung von Schmeicheleien -, ernst und salopp geredet: Im Vorstand gilt seit eh und je der Grundsatz offener Rede (sonst braucht man gar nicht zusammenzukommen). ...

Das Fazit war dann ebenso undramatisch wie der Ausgangspunkt der Debatte: Der Mann ist Kollege, mit ihm muß man leben - und wenn möglich reden (nicht: ihn abschlachten und zur Strecke bringen) - wer kann und vermag es? Wer immer den rechten Zugang und Gesprächsgeschick besitze, solle mit ihm zu sprechen und ihm klarzumachen suchen, was er mit seinem Amoklauf anrichte, zum Schaden der Justiz, aber auch zum eigenen. ...

Dieses Gespräch hat am nächsten Tag auch stattgefunden: Der Angesprochene muß fast alles in den falschen Hals bekommen haben: Jedenfalls ist der Morgenpost-Artikel eine derart groteske Verzerrung des im Vorstand wirklich Beredeten, daß ich bei damaligen Teilnehmern allenthalben auf basses Staunen gestoßen bin: "Wo, bitte, soll solch’ tolles - geradezu mafioses! - Zeug gesagt worden sein ?"

Günter Bertram