(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/99) < home RiV >
Neues über die
"3. Prüfung"

"Justiz und Demokratie oder: Transparenz im Beförderungssystem" – darüber hatte der damals frisch pensionierte Kollege Jürgen Franke in den MHR 4/97, 23 ff. erfahrungsgesättigte Reflexionen ausgebreitet. Sie umkreisten die Frage nach Gerechtigkeit und Transparenz bei Auswahl schon "habiler" Kolleginnen und Kollegen, die sich für "R 2" bewarben, und die dem Richterwahlausschuß (RWA) nun vorgeschlagen werden sollten – oder eben nicht. Dabei ging es Franke nicht um die Prämisse der Sache: wie man denn überhaupt in den Kreis habiler Bewerber gelangt, also nicht um das davor liegende Nadelöhr der sog. 3. Staatsprüfung (am Obergericht oder am gleichgestellten Orten anderswo).

Ich entsinne mich mancher Diskussion im Kollegenkreis darüber, auch im Richterverein. Wie könnte es anders sein? Und welcher Präsidialrichter hätte nicht einen veritablen Teil seiner Zeit damit verbracht, darüber ad personam Auskünfte und Erklärungen zu geben: Hoffnungen zu beflügeln, oder – öfter noch ! - sie zu dämpfen ...?

Letztlich setzen sich die Präsidenten und Behördenleiter zusammen, um über Anwartschaften, Rechte und Wünsche ihrer Gerichte und Behörden eine Verständigkeit zu finden – im Einvernehmen mit der Justizbehörde, an der es dann ist, die Abordnung förmlich zu verfügen.

Das ganze ist – da es immer mehr Bewerber als Plätze gibt – ein unausweichlich dorniges Terrain, über dessen besondere Schicksalhaftigkeit im Einzelfall angesichts der gegenwärtigen Lage kein Wort zu verlieren ist.

Deshalb möchte man es schon begrüßen, wenn die Justizbehörde die Initiative ergreift und eine schriftliche Fixierung maßgeblicher Grundsätze entwirft – vorausgesetzt, dass dies der Klarheit, Transparenz und substanziellen Gerechtigkeit dient.

Vom 6. August d.J. datiert ein Entwurf der Justizbehörde mit dem Titel:

"Richtlinien über die Ernennung
und Beförderung von Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten

§ 1
I.
Die Bewährung von Richtern auf Probe für die Ernennung zum Richter oder zum Staatsanwalt auf Lebenszeit wird in der Regel nachgewiesen.
II.
Der Tätigkeit an dem weiteren Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder in einem anderen Spruchkörper der Verwaltungsgerichtsbarkeit steht die Abordnung an ein anderes Gericht oder an eine Behörde gleich, sofern diese Tätigkeit geeignet ist, Kenntnisse und Erfahrungen für die Ausübung des Richteramts zu vermitteln.
§ 2
I.
Vorschläge zur Übertragung eines Amtes mit nächsthöherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes sollen dem Richterwahlausschuss und der Deputation durch die zuständige Behörde in der Regel nur dann vorgelegt werden, wenn die Eignung des Vorgeschlagenen durch eine Erprobung festgestellt worden ist.
II.
Für weitergehende Beförderungen sollen die Bewerber darüber hinaus über möglichst vielseitige berufliche Erfahrungen im Eingangsamt und im ersten Beförderungsamt, insbesondere im Amt eines Vorsitzenden Richters verfügen.
§ 3
I.
Durch die Erprobung sollen zusätzliche Erkenntnisse über die besondere Eignung und Leistung des zu Erprobenden aufgrund der Beurteilung durch eine andere als die bisherige Dienststelle gewonnen werden.
II.
Die dienstliche Beurteilung hat Feststellungen zur Bewertung der Eignung (hervorragend geeignet, sehr gut geeignet, gut geeignet, geeignet, mit Einschränkung geeignet, ungeeignet) und zur Art des Beförderungsamtes, für welches die Eignung bejaht wird, zu enthalten.
§ 4
I.
Die Erprobung erfolgt in der Regel
  1. für die ordentliche Gerichtsbarkeit in einem Senat des Oberlandesgerichts,
  2. für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in einem Senat des Oberverwaltungsgerichts,
  3. für das Finanzgericht in einem Senat des Finanzgerichts,
  4. für die Staatsanwaltschaft bei der Generalstaatsanwaltschaft oder bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht als vertretender Abteilungsleiter in einer anderen als der bisherigen Abteilung.
II.
Die Erprobung erfolgt ferner durch eine Tätigkeit
  1. bei dem Bundesverfassungsgericht,
  2. bei einem Obersten Bundesgericht,
  3. bei der Bundesanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof,
  4. bei dem Bundesministerium der Justiz,
  5. bei der Justizbehörde,
  6. in der Verwaltung der Präsidenten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungs- oder Finanzgerichtsbarkeit,
  7. in der Verwaltung des Generalstaatsanwalts,
  8. als Vorsitzender in einer Hilfskammer (Straf- oder Zivilkammer),
  9. in vergleichbaren Stellen, wenn die Tätigkeit nach Art und Bedeutung geeignet ist, die in § 3 Abs. 1 genannten zusätzlichen Erkenntnisse zu gewinnen.
§ 5
I.
Die Erprobung soll nicht vor Ablauf von fünf Jahren nach Ernennung auf Lebenszeit stattfinden. Zeiten, in denen Tätigkeiten nach § 10 Abs. 2 DRiG ausgeübt wurden, können angerechnet werden.
II.
Die Dauer der Erprobung beträgt bei einem Senat des Oberlandesgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts neun (sechs) Monate, bei dem Finanzgericht oder bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht ein Jahr.
III.
Die Dauer der Erprobung gemäß § 4 Abs. 2 beträgt regelmäßig 24 Monate, mindestens 12 Monate. Sie kann bis zur Mindestzeit insbesondere dann abgekürzt werden, wenn in nennenswertem Umfang eine Verwendung in einem Senat nach § 4 Abs. 1 oder mit staatsanwaltschaftlichen Aufgaben bei dem Generalstaatsanwalt erfolgt.
§ 6
I.
Richter und Staatsanwälte, die nach § 4 erprobt werden wollen, bekunden zum 1. April und 1. Oktober eines jeden Jahres nach ihrer ersten Regelbeurteilung (Verfügung der ehemaligen Landesjustizverwaltung über die dienstlichen Beurteilungen der Richter und Staatsanwälte vom 12.11.1958) ihr Interesse an einer Erprobung auf dem Dienstweg gegenüber der Justizbehörde. Dieses Interesse wird als fortbestehend angesehen, solange nichts anderes mitgeteilt wird.
II.
Die Präsidenten der Oberen Landesgerichte und der Generalstaatsanwalt nehmen gegenüber der Justizbehörde zu den eingegangenen Bewerbungen Stellung und machen einen Vorschlag zur Berücksichtigung überhaupt und zur Reihenfolge der Erprobungen nach persönlicher und fachlicher Eignung. Die Entscheidung trifft die Justizbehörde nach Prüfung der Vorschläge und unter Berücksichtigung anderer dienstlicher und persönlicher Gesichtspunkte, die für die Personalplanung von Belang sind.
§ 7
Die Richter erhalten Gelegenheit, mit dem Präsidenten ihres Gerichts oder dem dafür bestellten Vertreter im jährlichen Abstand ein Gespräch über ihre gegenwärtige berufliche Situation sowie Wünsche, Voraussetzungen und Aussichten einer Weiterentwicklung zu führen. Der Generalstaatsanwalt regelt für seinen Geschäftsbereich, wer das Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch führt; er hat dafür Sorge zu tragen, dass Staatsanwälte auch unabhängig von diesem Gespräch ihre beruflichen Wünsche mit dem Leiter der Behörde oder dem für Personalfragen zuständigen Vertreter erörtern können."
  Anmerkung des Homepage-Betreuers vom 20.12.99:

In "Justiz intern" 12/1999, 10 wird die 2. Entwurfsfassung mitgeteilt. Neben grammatikalischen Korrekturen und konsequenter Einhaltung auch der weiblichen Bezeichnungsformen sind folgende Änderungen zu erwähnen:

zu § 1 II:
Die Tätigkeit in einem anderen Dezernat der StA wurde eingefügt.

zu § 2 I:
R1+Z bei der StA wurde dem Eingangsamt gleichgestellt.
neu § 2 III:
StA: Erfahrungen im Beförderungsamt auch als AL bei der StA(LG) und als Dez bei der StA(OLG).

zu § 3 III:
Als Note wurde "vollauf geeignet" zwischengefügt.

zu § 4 I d:
Gestrichen wurde die Regelerprobung als vertr. AL bei der StA(LG) in einer anderen Abt. Diese Möglichkeit wurde verlagert in die "ferner"-Erprobungen nach § 4 II g, wo dafür die bislang vorgesehene Erprobung in der Verwaltung beim GenStA gestrichen wurde.
neu § 4 III:
Die bislang nur bei "vergleichbaren Stellen" vorgesehene Einschränkung, dass die Tätigkeit "nach Art und Bedeutung geeignet ...." sein muss, gilt nun auch für die Tätigkeiten bei BMJ, JB und in den Präsidialverwaltungen.

zu § 5 I:
Zu früh stattgefundene Abordnungen werden nicht anerkannt.
zu § 5 II:
Bei der Erprobungsdauer von 9 Monaten wurde der Klammerzusatz "6 Monate" gestrichen.

zu § 6 II:
Die von den Oberen Landesgerichtspräsidenten der Justizbehörde vorgelegte Vorschlagsliste kann "nur in besonders zu begründenden Ausnahmefällen geändert werden." (Der 1. Entwurf hatte noch eine Prärogative der Justizbehörde vorgesehen.)