(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/04, 4) < home RiV >

Mitbestimmung

Der Hamburgische Richterverein hat – im Stadium der internen Behördenabstimmung - Kenntnis erhalten von dem Vorhaben des Senats, mit dem Hamburgischen Personalvertretungsgesetz auch das Hamburgische Richtergesetz dahin zu ändern, dass die Rechte der Richterräte spürbar beschnitten werden sollen. Die Begründung des Senats sucht den Eindruck zu erwecken, es gehe lediglich um eine Anpassung der Gesetze an die Maßgaben aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 zum Personalvertretungsrecht Schleswig-Holsteins sowie um in der Sache unbedenkliche Verfahrensbeschleunigungen.

Die Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts und des Landgerichts sowie der Präsident des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts haben dem Vorhaben insoweit widersprochen, als insbesondere die Mitbestimmung bei dem Erlass von Beurteilungsrichtlinien (vgl. MHR 3/99, S. 13, 1/2000, S. 11, 1/2003, S. 11) durch eine Beschränkung der zulässigen Versagungsgründe faktisch abgeschafft werden soll (§ 57). Im Übrigen haben sie insbesondere die Beschleunigung der Verfahren begrüßt.

Die Justizbehörde tritt in dem bisherigen Verfahren nicht federführend auf – obwohl ein originär ihr Ressort betreffendes Gesetz geändert werden soll. In der Begründung des Personalamtes heißt es: „Da das Hamburgische Richtergesetz (HmbRiG) die Beteiligung der Richterräte in Anlehnung an das HmbPersVG regelt, ist auch eine entsprechende Änderung des HmbRiG erforderlich.“

Der Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereins hat dem Justizsenator wie folgt geschrieben.

 

die Redaktion


 

Brief an Senator Kusch

 

Hamburg, 19. November 2004

 

Sehr geehrter Herr Senator,

 

obwohl die formelle Federführung für das Gesetz beim Personalamt liegt, wenden wir uns an Sie, weil die geplante Änderung des Hamburgischen Richtergesetzes in Ihr Ressort fällt. Nach eingehender Beratung ist der Vorstand des Richtervereins der Überzeugung, dass es einer Änderung der bisherigen Gesetzeslage nicht bedarf. Die bestehende Regelung hat sich über lange Zeit bewährt. Die bisher gut funktionierende, in eine vertrauensvolle Zusammenarbeit eingebettete Arbeit der Richterräte sollte auf unveränderter gesetzlicher Grundlage fortbestehen. Ihre Einbeziehung in die Gerichtsverwaltung realisiert – neben der Tätigkeit der Präsidien, der Präsidialräte und der Beteiligung von Richtervertretern im Richterwahlausschuss – einen wichtigen Teil der richterlichen Unabhängigkeit. Deshalb bedeutet jede weitere Reduzierung der ohnehin begrenzten und vielfach auf Mitwirkung beschränkten Beteiligungsrechte eine nicht mehr hinnehmbare Reduzierung des tatsächlichen Bestandes richterlicher Unabhängigkeit.

 

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1995 bedingt keineswegs zwingend die beabsichtigten Änderungen des Richtergesetzes, weil sie ersichtlich nur zum Personalvertretungsrecht ergangen ist, das in keinem Fall mit dem Richtervertretungsrecht gleichzusetzen ist.

 

Bei einer Änderung der Richterbeteiligung ist zu berücksichtigen, dass die Unabhängigkeit der Dritten Gewalt der Richtervertretung eine besondere, ihr eigene Legitimation verschafft. Der vorliegende Gesetzesentwurf steht dazu in direktem Gegensatz, da er die engere Anbindung der Gerichtsverwaltung an die Exekutive fördert.

 

Der Gesetzentwurf verstößt überdies gegen höherrangiges einfachgesetzliches Recht. Er negiert in unvertretbarem Maße die vom Bundesgesetzgeber (§§ 73, 71 DRiG) vorgegebene positive Bewertung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Gerichtsleitung und Richterräten und die Forderung „mindestens“ nach einer wirksamen materiellen Beteiligung von Richterräten an allgemeinen und sozialen Angelegenheiten der Richter.

Zu den Einzelheiten:

Die Stellungnahme der Justizbehörde gegenüber dem Personalamt folgt der Kritik einiger Gerichtsleitungen hinsichtlich der inhaltlich und systematisch verfehlten Einbeziehung von § 56 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5 n.F. in § 57. Diese Korrektur reicht aber bei Weitem nicht aus.

1.

Die Neuregelung schwächt einseitig die Richterräte. Sie räumt den Richterräten nicht die nötige Zeit für eine angemessene, intensive Sachbefassung und die Suche nach gemeinsamen Lösungen ein.

Die Verkürzung der Fristen verkennt, dass in den Richterräten nicht hauptamtliche Funktionäre, sondern Richterinnen und Richter tätig, die zunächst und vorrangig durch ihre richterliche Tätigkeit gebunden und auf längerfristige Zeitplanung angewiesen sind. Das neue Gesetz zwingt sie dazu, in ihre Zeitplanung eventuelle Termine für dringliche Richterratsangelegenheiten aufzunehmen, wodurch richterliche Arbeitskraft verloren geht. Dies birgt die Gefahr, Richterräte weit mehr als bisher von ihrer eigentlichen Arbeit freizustellen. Das kann schon aus Kostengründen nicht gewollt sein.

Die Beschleunigungsregeln sind nicht erforderlich. Das bisherige Recht schützt die Gerichtsleitungen bei Fristversäumnis des Richterrates ausreichend vor Verschleppung der Sache, weil nach § 50 Abs. 1 (a. F.) die Anrufung der Schlichtungsstelle möglich ist. Überdies haben die Dienststellen schon immer bei eilbedürftigen Maßnahmen nach § 53 die Berechtigung zu vorläufigen Regelungen gehabt.

 

a)   Die Zustimmungsfiktion in § 49 Abs. 3 Satz 4 vermittelt der mitbestimmungsbedürftigen Maßnahme keine Legitimität und keine Akzeptanz; sie ist ein Fremdkörper in einem auf vertrauensvolle Zusammenarbeit angelegten System.

 

b)   Die Bedingung in § 49 Abs. 3 Satz 4 „wenn ... die aufgeführten Gründe offenkundig keinen unmittelbaren Bezug zur Mitbestimmung nach den §§ 55 und 56 haben“, ist so unbestimmt, dass damit zu Missbrauch und Rechtsstreitigkeiten geradezu herausgefordert wird.

 

c)   Die Änderung in § 51 Abs. 1 Satz 2 verschärft eine bestehende Problematik. Das Verstreichen der genannten Frist und damit der vorzeitige Übergang in das Einigungsverfahren liegt nämlich maßgeblich in der Hand des von der Behörde bestellten Vorsitzenden (§ 50 Abs. 2 Satz 3). Sachgerecht wäre es allein, dieses Anrufungsrecht auf den Richterrat zu beschränken.

 

d)   Die Frist in § 51 Abs. 1 Satz 2 ist unrealistisch. Die Einigung auf einen Vorsitzenden setzt voraus, dass dieser beiden Seiten vertrauenswürdig erscheint, für den spezifischen Streitgegenstand hinreichend sachkundig ist und für diese Angelegenheit Zeit hat. Die notwendigen Klärungen erfordern regelmäßig mehr als zwei Wochen Zeit.

 

e)   Die Listenlösung nach § 51 Abs. 1 Satz 3 ist wenig praxistauglich. Angesichts der Vielzahl denkbarer Mitbestimmungsverfahren aus verschiedenen Gerichtsbarkeiten ist es nicht sinnvoll, den Vorsitz nach der zufälligen Position auf einer Einheitsliste zu bestimmen.

 

f)     Die Vorgabe in § 51 Abs. 4 Satz 2, den Beschluss in der ersten Sitzung zu fassen, mag in Einzelfällen möglich und erstrebenswert sein. In der Regel wird dies aber vor dem Hintergrund der bis dahin schon akkumulierten Beschleunigungsmomente, die einer vertieften Befassung mit der Sache entgegenstehen, nicht zu erwarten sein.

 

g)   § 57 sollte insgesamt gestrichen werden. Dass der Versagungskatalog nicht sachgerecht ist, hat die Justizbehörde selbst festgestellt. Da der Richterrat nicht für Personalauswahl zuständig ist, wird die Regelung nach Nr. 3 keine Anwendung finden können.

 

h)   § 59 Abs. 1 Satz 2 kann keinen Bestand haben. Die jederzeitige Aufhebungsmöglichkeit ist für die Richtervertretung nicht akzeptabel. Die entsprechende Forderung des Bundesverfassungsgerichts gilt allein für das Personalvertretungsrecht und bindet dementsprechend hier nicht.

 

2.

Die Regelung des § 48 a sollte vollständig gestrichen werden. Die bestehende Verpflichtung der Richterräte auf allgemeine Grundsätze des Datenschutzes reicht aus.

 

§ 48 a kann die Funktionsfähigkeit der Richtervertretung erheblich beeinträchtigen.
§ 48 a Abs. 2 zerstört das „kollektive Gedächtnis" dieser von Personalwechsel geprägten Einrichtung. Für die Richterratsarbeit werden Daten mit Personenbezug nicht schon nach 4 bis 8 Jahren überflüssig. Bei Entscheidungen über Abordnungen, Verteilung von Plätzen für Fortbildungen oder den Zugang zu sonstigen Vergünstigungen kommt es wesentlich auf sachgerechte Gleichbehandlung der Betroffenen an. Sie ist nur dann gewährleistet, wenn ein langjährig geführter, vertraulich behandelter Datenbestand zur Verfügung steht.

 

3.

Es ist aus der Praxis nicht zu rechtfertigen, die Mitwirkungstatbestände weiter einzuschränken. Die Mitwirkung verschafft der Dienststelle eine erweiterte Entscheidungsgrundlage und aufgrund der gesteigerten Transparenz einen Zugewinn an Akzeptanz.

 

4.

Die Änderungen in § 56 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 6 sind überdies abzulehnen, weil auch die Abordnungen von weniger als einem Jahr (§ 56 Abs. 2 Nr. 4 a.F.) für das Funktionieren des Gerichts, die Arbeitsbelastung und Gleichbehandlung erheblich sind.

 

Zusammengefasst:

 

Bundesrecht (§§ 73, 71 DRiG) fordert „mindestens“ eine wirksame materielle Beteiligung von Richterräten an allgemeinen und sozialen Angelegenheiten der Richter. Eine landesrechtliche Gesetzesänderung, die die Beteiligung zur bloßen Formalie macht, setzt sich dazu in Widerspruch. Sachlich unnötige Streitigkeiten bis hin zu Gerichtsverfahren und deutliche Effizienzverluste in den Gerichten sind zu befürchten.

 

Richtigerweise muss es in dem Vorblatt zur Senatsdrucksache unter „C. Kosten der öffentlichen Haushalte“ heißen: „Nicht genau quantifizierbare Mehrausgaben nach § 47 Abs. 1 HmbRiG sowie Mehrkosten aus der notwendigen Mehrarbeit der Richterräte und dadurch bedingte Verringerung ihrer Arbeitszeit für die richterliche Tätigkeit.“

 

Wir bitten Sie auf Grund der vorstehenden Erwägungen, in dieser Sache Ihrer Verantwortung für die Rechtsprechung in Hamburg eingedenk die geplante Änderung des Hamburgischen Richtergesetzes zu verhindern.

 

Wir bitten im Übrigen um Ihre Stellungnahme und stehen selbstverständlich jederzeit zu einem erläuternden Gespräch zur Verfügung.

 

Die Schreiben an das Personalamt und das Schreiben des Leiters des Justizverwaltungsamtes an die Richterräte sind uns bekannt.

 

Mit freundlichem Gruß

 

Dr. Schmidt-Syaßen